Künstliche Nasen erschnüffeln Gase
Intelligenter Sensor legt für Gase differenzierte Kartei für „Fingerabdrücke“ an
In vielen Umgebungen ist die Messung und Auswertung von Gasen essenziell. Der Düsseldorfer Unitronic GmbH ist es gelungen, mit einer neuen Art „künstlicher Nase“ das Verfahren zu vereinfachen und die Kosten zu reduzieren. Das Sensormodul USM-VGSA (Virtueller Multifunktionaler Gas-Sensorarray) ist in der Lage, mit einem einzigen herkömmlichen Metalloxidsensor eine Vielzahl organischer und anorganischer Verbindungen selektiv zu erkennen. Damit lassen sich die Kosten für die Analyse von Luftbestandteilen deutlich reduzieren.
Gasförmig ist neben fest und flüssig einer der drei klassischen Aggregatzustände. Bekannte Gase sind Sauerstoff, Helium, Wasserstoff oder Propan – um nur einige zu nennen. Daneben gibt es aber auch komplexe Gasgemische, wie Zigarettenrauch, Alkoholdämpfe oder unterschiedliche Gase, die bei Bränden entstehen. Im Gefahrenfall erfordert jedes Gas eine spezielle Reaktion, damit der Schaden in Grenzen gehalten wird. So müssen bei einem Brand die Fenster fest geschlossen werden, um dem Feuer durch Sauerstoff keine zusätzliche Nahrung zu geben. Aus Gasleitungen austretendes Gas erfordert als Sofortmaßname dagegen, alle Fenster möglichst weit zu öffnen, um das ausströmende Gas zu neutralisieren.
Für die Messung und Auswertung der jeweiligen Gase sorgen Gassensoren. Hierbei handelt es sich einerseits um leistungsfähige Bauelemente, die ihre Aufgaben schnell und sicher erfüllen. Gleichzeitig sind es aber auch extrem komplexe Komponenten. Oft erreichen diese erst durch aufwendigere Beschaltungen ihr wahres Leistungspotenzial. Bekannte Konzepte verwenden beispielsweise sogenannte Sensor-Arrays, die bei Messungen gleichzeitig eingesetzt werden. Dabei generiert jeder Sensor für alle Gase einen individuellen Messwert. Diese verschiedenen Messwerte erzeugen somit einen charakteristischen Gasabdruck für die jeweilige Gasart. Auf diese Weise entstehen einzigartige Muster für die unterschiedlichsten Gastypen. Ähnlich einer Fingerabdruckkartei lassen sich diese Werte in einer Bibliothek hinterlegen und bei Bedarf auf Übereinstimmung vergleichen.
Der Nachteil an dieser physikalischen Array-Technologie: Die einzelnen Sensoren reagieren unterschiedlich auf Veränderungen der Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Gaskonzentration sowie deren Langzeitdriftverhalten. Daraus resultieren nicht selten Verfälschungen, weshalb Sensor-Arrays häufig neu kalibriert werden müssen. Der Wartungsaufwand und die Kosten dafür sind hoch. Hinzu kommt noch ggf. der beachtliche Stromverbrauch dieser Mehrfachsensorsysteme.
Virtuelles Sensor-Array
Für das Entwicklerteam der Unitronic stand daher fest, dass man dem herkömmlichen Verfahren eine modernere Alternative entgegensetzen sollte. „Das „virtuelle multifunktionale Gassensor-Array“ (VGSA) verwendet lediglich einen einzigen, kostengünstigen Miniatur-Gassensor auf Basis eines oxidischen Halbleiters, der mithilfe einer innovativen Auswertung die verschiedenen Gase voneinander unterscheiden kann“, beschreibt Abteilungsleiter Eduard Schäfer die Methode. Im Vergleich zu den bislang verwendeten physikalischen Sensor-Arrays biete das Messmodul eine extrem hohe Stabilität im Dauereinsatz. Ein weiteres Argument für den Sensor sei der wesentlich günstigere Preis.
Die Art des Gases ermittelt der Sensor anhand der gasinduzierten Verzerrung periodischer Temperatursprünge. So haben Halbleitersensoren die Eigenschaft, bei Temperaturschwankungen unterschiedlich empfindlich auf Gase zu reagieren. Um die Messgenauigkeit zu steigern, verwendet der USM-VGSA eine intelligente Temperierung, da es für jedes Gas eine optimale Temperaturumgebung gibt, die optimale Messergebnisse liefert. Zusätzlich zu der Temperaturmodulation wertet das Modul die komplexe Leitfähigkeit (Impedanz) des Sensors aus, die ein Gas hervorruft. Allgemein üblich war bei der Signalverarbeitung bisher lediglich die Auswertung des ohmschen Widerstandes eines Sensors.
Die durch den Einsatz der Unitronic-Lösung sind die errechneten Signale frei von Einflüssen durch Luftfeuchte, Drift des Absolutwertes und des Memory-Effekts. Das Modul nutzt ein spezielles, hochempfindliches Auswertungsverfahren mit innovativen Algorithmen und Techniken. Diese Technologie erzeugt mithilfe eines einzelnen Halbleitersensors mehrere einzelne Sensorsignale und entspricht so quasi einem virtuellen Sensorarray. Die gewonnenen Sensorparameter enthalten komplexe gastypische und langzeitstabile Muster, die eine Art Fingerabdruck für jedes Gas darstellen.
Neuartige Auswertegrafiken unterstützen die Analyse
Aufgrund der kombinierten komplexen Auswertung sowie der Temperaturmodulation entsteht durch den Einsatz des neuen Sensors eine neue Form der Auswertegrafiken. Normallerweise lässt sich das einfache Verhältnis zwischen Sensorsignal und Gaskonzentration in einem Doppel-logarithmischen Diagramm (Abbildung 11) anschaulich darstellen. Allerdings werden dabei keine qualitativen Aussagen zu der Gasart möglich. Diese erfolgt schematisch durch die Analyse des USM-VGSAs (Abbildung 12). Der virtuelle Sensor-Array innerhalb der Unitronic-Komponente stellt eine Art die dritte Dimension dar, die in der Regel aus 48 Werten besteht, wobei auch mehr oder weniger virtuelle Sensoren dabei verwendet werden können. Die ermittelten Werte sind auf der Z-Achse als Absolutwerte zwar variabel, im Verhältnis zueinander aber stabil.
„Die Funktion der ‚künstlichen Nase’ basiert im Endeffekt auf bestimmten Aspekten, denn jeder wirkt sich aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung unterschiedlich auf das Sensorelement aus“, erläutert Eduard Schäfer. „Das Eindringen der Gase in die sensitive Wirkschicht des Sensors ist bei jedem Gas anders.“ Für die Ermittlung relevanter Ergebnisse wertet der VGSA 48 unterschiedliche Sensor-Einflussgrößen aus und extrahiert diese aus der Sensorschicht. Auf diese Weise entsteht ein virtuelles 48 Sensoren-Array. Die 48 Messwerte sind gasspezifisch wodurch quasi für jedes Gas eine Art „Fingerabdruck“ entsteht. Die typischen Daten der jeweiligen Gase werden nicht durch Quereinflüsse wie Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Gaskonzentration beeinflusst. Werte, die der Sensor ermittelt, werden in einer Kartei gespeichert. Sie stehen bei einer Messung jederzeit als Vergleichswert zur Verfügung. Wird dem System während eines Analyseverfahrens ein unbekanntes Gas oder Gasgemisch angeboten, vergleicht es die Merkmale mit den Daten der abgespeicherten Karteien. Ist das gesuchte Gas in der gespeicherten Kartei vorhanden, wird es problemlos identifiziert. Bei Bedarf kann das System sich jederzeit eigenständig nachjustieren, weshalb eine kostenaufwendige, manuelle Nullluft-Nachkalibrierung überflüssig wird.
Einsatzfelder für intelligente Gassensoren
- Brandmeldeanlagen zur Detektion von Frühbranderkennung. Das Analyseverfahren erkennt, welches Material gerade brennt und unterstützt die individuelle Erfassung unterschiedlicher Brandarten
- Gas-Alarm-Detektoren mit denen sich explizit erkennen und erfassen lässt, welches Gas genau in einer Umgebung vorhanden ist. Verschiedene Gase haben unterschiedliche Explosionsgrenzen. Konzentrationen, die bei einem Gas als unkritisch gelten, können in der gleichen Konzentration bei einem anderen Gas die Bildung eines explosiven Gemisches verursachen. Bei herkömmlichen Messmethoden können auch Reinigungsmittel wie Alkohol oder Lösungsmittel einen Falschalarm auslösen, wenn sie im gleichen Raum eingesetzt werden. Eine genauere Gasanalyse kann solche Fehlalarme verhindern.
- Analyse zur gezielten Vorbeugung größerer Schäden bei industriellen Anlagen. Hier lässt sich mithilfe der Sensorik gezielt nach bestimmten Stoffen suchen, die vor einem unmittelbarem Total-Crash ausgedünstet werden.
- Im Bereich „Weiße Ware“ werden die Gassensoren eingesetzt, um die Luftqualität zu erfassen. Hier treten häufig Schwierigkeiten in Bezug auf die Querempfindlichkeiten zur Luftfeuchtigkeit und Temperatur auf. Das Unitronic-Analyseverfahren wirkt diesem Problem ohne zusätzliche teure Sensoren zwecks Kompensation entgegen.
- Filteranlagenhersteller von industriellen Filteranlagen können davon profitieren, indem ganz gezielt die Gase hinter dem Filter analysiert werden, um den Durchbruch des Filters rechtzeitig zu erkennen.