Automatische Oberflächeninspektion und Defekterkennung
Micro-Epsilon Messtechnik GmbH&Co KG: Das Erscheinungsbild eines Objekts oder eines Produkts steht – neben der eigentlichen Funktion – meist im Vordergrund. Zeigen sich Fehler in der Oberfläche, ist das optische Erscheinungsbild gestört. Dies führt zu einer oft unbewusst vorgenommenen Abwertung des Produkts, auch wenn dadurch der funktionelle Aspekt nicht beeinträchtigt wird. Um die Qualität eines Produkts und dessen kompetente Verarbeitung durch perfektes Aussehen zu unterstreichen, werden Produkte meist direkt im Produktionsprozess auf optische Unregelmäßigkeiten geprüft. Dazu eigenen sich manuelle Prüfvorgänge und bildverarbeitende Verfahren.
Manuelle Inspektion durch Sichtprüfung ist aufwändig und zeitintensiv. Ein jeder kennt den Versuch, auf einem glänzenden Teil durch Spiegelung der Umgebung einen Fehler in der Oberfläche zu erkennen. In der industriellen Fertigung werden die Spiegelungen von streifenförmigen Leuchtstoffröhren auf der Oberfläche von Mitarbeitern der Qualitätskontrolle betrachtet, um so Defekte in der Oberfläche zu erkennen. Allerdings ist besonders im Bereich der Grenzmuster diese Art der Fehlererkennung oft starken tageszeitlichen Schwankungen unterworfen, was eine vergleichbare Beurteilung der Oberflächenqualität nur bedingt zulässt. Außerdem sind die Ergebnisse manueller Prüfung kaum reproduzierbar und nur schwer quantifizierbar.
Es lag demnach nahe, ein automatisches Verfahren zur industriellen Fehlerauswertung auf glänzenden Oberflächen zu entwickeln, das Fehler in der Oberfläche ähnlich wie das menschliche Auge erkennt. Das auf dem Prinzip der Deflektometrie basierende System reflectCONTROL analysiert die Reflexionen von glatten Oberflächen, erkennt Fehler und markiert diese automatisch.
Prinzip der Deflektometrie
Um reproduzierbare und gut strukturierte Hell-Dunkel-Übergänge zu gewährleisten, wird ein Streifenmuster auf einem Display dargestellt. Kameras nehmen das von der Oberfläche des Messobjekts reflektierte Bild auf und leiten die Daten an einen Industrie-PC zur Auswertung weiter.
Im reflectCONTROL-System wird als Display ein LCD in Industrie-Ausführung mit in ihrer Position wechselnden sinusförmigen Hell/Dunkel-Übergängen verwendet. Dazu Dipl.-Ing. Hannes Loferer, Produktmanager reflectCONTROL bei Micro-Epsilon: „Als Grobabschätzung, ob die Oberfläche eines Objekts mit reflectCONTROL analysierbar ist, lässt sich sagen: Wenn man sich selbst als Spiegelbild im Objekt erkennen kann, ist das Objekt zur Messung mit reflectCONTROL sehr gut geeignet. Sind nur Umrisse erkennbar, bedarf es einer gesonderten Prüfung in unserem Haus."
Bei der Deflektometrie werden die aufgenommenen Spiegelbilder in einem Rechner verarbeitet. Dabei müssen unterschiedliche Fehler bei der Analyse der Bilddaten sicher erkannt und eindeutig unterschieden werden. Während eine Delle eine geringe Änderung der Oberflächenkrümmung über einen vergleichsweise großen Bereich verursacht, ist die Krümmungsänderung bei einem Einschluss sehr groß, aber nur auf einen kleinen Bereich beschränkt. Daher sind die eingesetzten Algorithmen zur automatischen Fehlerbewertung und Klassifizierung sehr komplex. Je nach dem, wie stark ein Objekt reflektiert, sind unterschiedliche Schwarz-Weiß-Übergänge nötig. Mit dem Einsatz von Objektiven mit größerer Brennweite in Verbindung mit angepassten Streifenmustern ist es möglich, Auflösungen bis in den Bereich von zehntel Mikrometer zu erreichen. In Abhängigkeit von Displaygröße und Auflösung der Kameras kann in einem Messvorgang eine begrenzte Fläche des Objekts untersucht werden. Deshalb kann es bei größeren Objekten der Fall sein, dass für eine komplette Oberflächenprüfung Messvorgänge an mehrere Stellen nötig sind.
Das Messprinzip eignet sich für die Fehlerarten Berührung, Einschlüsse, Fussel/Haare, Kleberückstände, Kocher, Krater, Lackablösung, Lacktropfen, Läufer, Nadelstiche, Overspray, Pressfehler, Riefen, Rohbaufehler, Schieberabzeichungen, Schleiffehler, Schweißperlen, Spucker, Stippen, Teil-/Magerlackierung, Verschmutzungen und Wassertropfen.
System in mehreren Varianten
Um die verschiedenen Anforderungen gerecht bedienen zu können, sind unterschiedliche Versionen des Messsystems reflectCONTROL erhältlich.
Für Objekte in der Größenordnung von ganzen Automobilkarossen ist das System RC-Robotic vorgesehen. Hier befindet sich der optische Teil des Messsystems als Sensor am Endeffektor eines Roboters. Ein Messvorgang deckt etwa eine Fläche von 80 x 60 cm ab, der Roboter bewegt das Messsystem an verschiedenen Positionen um das zu inspizierende Objekt. Beispielsweise kommen zur vollständigen Prüfung einer Automobilkarosse auf einer industriellen Fertigungsstraße in Taktzeit vier RC-Robotic zur Anwendung. Beidseitig platziert erledigen sie die komplette Prüfung innerhalb von 60 Sekunden. Im Anschluss daran werden die entdeckten Defekte durch Markierroboter angezeichnet.
Für kleinere Messobjekte und für den Laborbetrieb ist das Inspektionssystem RC-Compact mit fixiertem Messsystem erhältlich. Mit einem in 3 Achsen verfahrbaren Messtisch kann das zu untersuchende Objekt bewegt und bei gekrümmten Oberflächen auch gekippt werden, um das gesamte Objekt inspizieren zu können. Die Messung eines solchen Bauteils nimmt in etwa 10 bis 30 Sekunden in Anspruch und lässt sich durch generieren eines Jobs, in dem abgespeicherte Messpositionen nacheinander angefahren werden, für die Serienfertigung automatisieren. Zum Schutz des Bedieners vor Verletzungen dient ein integrierter Lichtvorhang. Bei flachen Objekten, bei denen die Oberfläche in einer Messung geprüft werden kann, liegt das Objekt auf einem festen Bauteilträger. Die Beschickung läuft entweder automatisch über einen Handling-Roboter und einem Teilehalter oder manuell über einen Werker, der die einzelnen Bauteile selbst einlegt. Die Messzeit für diese Systemvariante beträgt etwa 3 Sekunden pro Bauteil.
Mit den genannten Systemen kann für viele Produkte die passende Lösung gefunden werden. Für ganz spezielle Messaufgaben bietet der Hersteller auch die Version RC-Custom an. Bei dieser in jeder Umgebung passenden Variante wird für das Messobjekt die optimale Systemanordnung gesucht, für den Kunden speziell angefertigt und integriert.
Die Leistungsdaten von reflectCONTROL bewertet Ing. Dieter Herzog, Leiter Vertrieb und Marketing bei ATENSOR, Teil der Micro-Epsilon-Unternehmensgruppe: „Bei reflectCONTROL ist das Verhältnis Messfläche zu Auflösung sehr interessant. Auch Defekte im Bereich von Mikrometern werden sicher erkannt und durch die integrierten Algorithmen automatisch bewertet. Für anschließende Prozesse können die Daten in einfacher Form als Fehler-Reports weiter verarbeitet werden, eine Beurteilung durch eine Person ist nicht mehr erforderlich.“
Lösungen vom Sensorspezialisten
Die Abteilung für Systeme und Anlagen von Micro-Epsilon entwickelt, projektiert und fertigt schlüsselfertige Messanlagen für die Prozessüberwachung und Qualitätskontrolle für viele Branchen. Dabei werden ständig neue Technologien integriert und neue Systeme entwickelt. Auch die Software wird in der eigenen Softwareabteilung anlagenspezifisch programmiert. Gerade im Sondermaschinenbau und insbesondere in der Entwicklung neuer Technologien besitzt das Unternehmen besondere Fähigkeiten. Beginnend mit dem mechanischen Aufbau über die Software bis hin zur Sensor-Speziallösung wird im Haus selbst entwickelt und gefertigt. Das erlaubt direkte Kommunikationswege und hat kurze Reaktionszeiten zur Folge. Ein unschätzbarer Vorteil im Sondermaschinenbau, denn gerade hier stehen unerwartete Situationen an der Tagesordnung. So können in kürzester Zeit Lösungen konzipiert werden und die Abstimmung zwischen Elektrotechnik und Maschinenbau vor Ort erfolgen.
Mit dem Oberflächen-Inspektionssystem reflectCONTROL ist der Anwender in der Lage, seine Produkte einer völlig objektiven und reproduzierbaren Bewertung zu unterziehen. Fehlerhafte Teile werden nach einer Prüfung in der Linie erkannt und gar nicht erst ausgeliefert. Kostspielige Austauschaktionen oder Rücknahmen bleiben zukünftig erspart. Zur Messung geeignet sind folgende Oberflächen: poliertes und lackiertes Metall, Spiegel, Glas, glatte und lackierte Kunststoffe sowie galvanisierte Oberflächen. Bei grenzwertigen Objekten ist eine gesonderte Prüfung der Machbarkeit beim Hersteller erforderlich.